Erfüllt von Gottes Wirken

April 2016

Wir waren bei Ankunft gleich damit beschäftigt, die vielen fehlenden Kinder und Mütter aus unserer Ernährungs-Studie aufzusuchen, damit sie noch nachuntersucht und vermessen werden konnten. Dazu mussten wir bei 45 Grad in der Mittagshitze in ein Dorf, wohin auch weitere Kinder gebracht wurden. Unter einem Baum untersuchten wir und konnten mitfühlen, was ein Hitzestich bedeutet.

Viele Kinder sind den ganzen Tag ohne Aufsicht im Dorf, während die Eltern auf dem Feld die Reisernte einbringen. Sie werden meist von älteren Geschwistern betreut, die sie auch mal auf den Arm nehmen, jedoch eine warme Mahlzeit weder anbieten noch füttern können. So bleibt meist nur „Puffreis“ übrig, oder Kekse bis am Abend dann die Eltern nach Hause kommen. Die Kinder sind daran gewöhnt und klagen nicht.

Eine beträchtlich Anzahl von Müttern sind aus den Dörfern verschwunden und meist bei den eigenen Eltern weit entfernt wieder zu finden. Nach weiterem Recherchieren stellt sich heraus, dass leichte Streitigkeiten sie haben fliehen lassen und sie nun warten, bis sie vom Ehemann wieder abgeholt werden, was dieser aber (nicht darum wissend) nicht tut. So haben wir Überzeugungsarbeit geleistet, um die Geflohenen wieder zurück ins Dorf zum Ehemann zubringen. Oft ahnt man nicht, wozu man alles ausgesandt wird.

Unser Mitarbeiter Jayanta ließ es sich nicht nehmen, jeden Morgen um 4.30 Uhr aufzustehen und loszufahren, um auch ja alle vermissten Kinder und Mütter aufzusuchen, damit keiner verloren geht… So viel Verantwortungsbereitschaft findet man nur ganz selten.

Die Armut hat auch ihre Würde

Wir hatten eine ältere Frau mit einem ausgedehnten, stark infizierten Geschwür bei uns im Krankenhaus. Sie war uns sehr dankbar, dass wir sie versorgten bis sie wieder gut zu Fuß ist, um dann auch gleich wieder bei der Feldarbeit mitmachen zu können. Als sie ihren kleinen Obolus zu den Mahlzeiten nicht gleich aufbringen konnte, war sie sehr betrübt, ihren Anteil nicht beitragen zu können. Wir hatten große Mühe sie zu beruhigen, dass sie auch ohne Obolus bei uns bleiben und essen darf. Das war jedoch nicht ihr Anliegen, sondern sie wollte ihre Würde bewahren, auch etwas beitragen zu können. Wir staunten.

Wer darf zuerst...?

In der Dorfschule Arisbi haben wir 50 Kinder untersucht, um eine Anämie und Vitaminmangel Erscheinungen ausfindig zu machen. Sehr ungewohnt für uns, haben die Kinder, die deutlich älter sind als in unseren Ernährungsprogrammen, sich darum gerissen, wer als erstes Blut abgenommen bekommt. Genau verfolgten sie dann, wie die Messungen vorgenommen wurden und waren ganz begeistert.

Wer zögerte wurde von ihnen motiviert. Es zeigte sich, dass durch die nahrhafte Schulspeisung nur wenige Kinder eine Anämie aufwiesen, jedoch mehr Kinder ein auffälliges Herzgeräusch zeigten. Fehlanlagen des Herzen können u.a. mit der früheren Mangelernährung im Mutterleib zu tun haben.

Hilfe aus Kalkutta

In einem der Dörfer haben wir schon vor Monaten einen Säugling mit Fehlbildungen der Handgelenke und Ellbogen gefunden und eine Krankengymnastik mit der Mutter eingeübt. Treu kommt sie regelmäßig zu uns und dank unserem Neuropädiater Dr. Swapan aus Kalkutta werden wir die nötigen Korrekturoperationen für das Kind in die Wege leiten können.

Dr. Swapan, der einmal im Monat zu uns kommt, hat dieses Mal auch unsere Dorfgesundheitshelfer im Krankenhaus unterrichtet ,wie man frühzeitig neurologische Erkrankungen erkennen kann. Am Nachmittag hat er erstmals auch im Dorf neurologische Kinder aufgesucht und behandelt.

Kabilal - mal wieder ein großes Wunder

Kabilal, 14 Jahre, kam vor einem Jahr ganz abgemagert mit heftigen Bauchschmerzen zu uns. Er hatte einen paralytischen Darmverschluss und konnte kaum mehr essen. Wir brachten ihn in ein Krankenhaus nach Kalkutta, wo er jedoch rasch wieder entlassen wurde, ohne dass sich seine Beschwerden besserten. Wir vermuteten eine Bauchtuberkulose und brachten ihn zu TB-Spezialisten nach Kalkutta, die sich jedoch bei den unsicheren diagnostischen Ergebnissen nicht für eine Therapie gegen TB entscheiden wollten.

Sein Leben hing nun nur noch an einem seidenen Faden. Wir hatten die Wahl, entweder stirbt er demnächst oder wir fangen die Therapie an. Schon nach 3 Wochen hatte er sich so gut erholt , dass er wieder essen konnte und neue Lebenskräfte sich bei ihm bemerkbar machten. Nun, nach einem Jahr Therapie, saß ein junger kräftiger Bursche vor mir und lacht mich fröhlich an.

Bei Nachfragen finden wir heraus, dass er nur bis zur 5. Klasse die Schule besuchen konnte und jetzt auf sich alleine gestellt ist. Wir machen ihm einige Vorschläge für eine Ausbildung und er will es sich bis in einer Woche überlegen. Am liebsten wolle er Rikscha-Fahrer werden, was wir jedoch nicht als eine gute Lebensgrundlage befanden. Dann kam seine Idee eines Motorradmechanikers auf und seine Augen leuchteten. Mit unseren Sozialarbeiten wird nun so eine Stelle gesucht und von uns begleitet bis er auf eigenen Füssen stehen kann.

Ambulanztag

Es sitzt eine Mutter mit einem kranken Kind vor mir, die nicht weiß wie sie zu ihrem Ehemann zurückkehren kann. Sie hatte mit dem kranken Kind ihr Elternhaus aufgesucht, um sich dort Hilfe zu holen. Nun wartet sie, dass sie von ihrem Ehemann wieder abgeholt wird, was dieser verweigert. So weiß sie nicht was sie tun soll. Auf Zureden von unserem Sozialarbeiter will sie zurückkehren, falls es jedoch an Mut fehlt, muss unser Sozialarbeiter mit.

Es kommt mit einem TukTuk eine bewusstlose Frau (35 Jahre), die wohl am Sterben sei. Sie war im staatlichen Krankenhaus gewesen und sollte in die Uniklinik weiterverlegt werden. Da die Familie jedoch kein Geld für die Medikamente und die Diagnostik hat, gingen sie nach Hause. Nun kommt sie mit einem aufgetriebenen Bauch voll Wasser und einem Nierenversagen. Wir fahren sie mit unserem Ambulanzauto in diese Klinik, wo sie in Begleitung unseres Sozialarbeiter aufgenommen wird und wir die Unkosten decken können……

Gleich darauf kommt der Elektriker und will von mir wissen, wie viele Erdungen um das Krankenhaus gebohrt werden sollen und welches Metall eingesetzt werden soll und wie gebohrt werden soll, damit unsere Geräte durch die Stromschwankungen nicht immer kaputt gehen.

 

Sodann erscheint ein neuer Kinderarzt aus dem staatlichen Krankenhaus, der gerne bei uns arbeiten möchte und am liebsten eine Intensivstation einrichten wollte. Bescheiden erkläre ich ihm unsere präventive Arbeit, darf jedoch seine chirurgische Ausbildung für einen unserer Patienten mit einem Hauttumor in Anspruch nehmen.

Erfüllt von Gottes Wirken

Am Nachmittag gehe ich wieder in eines unserer Santal-Dörfer, wo sich reichlich Kinder und Mütter um uns scharen und in einer vertrauensvollen Atmosphäre alle behandelt werden können. Am späten Abend werden wir zum Übernachten unter Sternenhimmel eingeladen. Die Dorfbesuche sind ein schöner Kontrast zu der Krankenhausarbeit, hier kann man ungestört ganz an die Menschen hingegeben sein und ihre Seele berühren und erfüllt werden von Gottes Wirken in uns.

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